Mittwoch, 31. August 2016

Amerst



Ich bin jetzt seit drei Tagen in Amherst und morgen beginnt die international Student Orientation (eine Willkommens Veranstaltung für alle ausländischen Studierenden). Die vergangenen Tage habe ich vor allem damit verbracht mich zu orientieren und einzurichten. Zuerst ist da das Apartment. Ich wohne zusammen mit zwei jungen Frauen, Katherine und Geenie. Katherine ist Haustiersitter und war die letzten Tage so nett mit mir einkaufen zu fahren. Ihr Auto hat mir beim Transport diverser Möbel sehr geholfen, außerdem hatte sie zwei Tische übrig, so dass ich mir nur ein Bett bzw. eine Schlafcouch kaufen musste. Das Apartment besteht aus drei Zimmern, Flur und einem großen Koch-, Ess- und Wohnbereich. Es ist hell und hat einen Balkon, einen kleinen Garten und eine Gartenhütte. Dadurch, dass es frisch renoviert wurde und auch so sehr hübsch ist kostet es aber knapp 700 $ im Monat aber mein Stipendium gibt das schon her. Mein Zimmer ist etwas kleiner als die beiden anderen aber das passt mir ganz gut, weil es dann nicht so leer aussieht. Meine Mitbewohnerinnen sind wirklich sehr nett. Wie gesagt ist Katherine Haustiersitter und ihrem Beruf entsprechend hat sie einen Hund (zum Glück sehr klein und ruhig), Fische und ein paar Reptilien. Geenie ist Graduate Studentin also auf dem Weg ihre Promotion zu machen und gerade eben ist sie damit beschäftigt einzuziehen und schläft noch in ihrer alten Wohnung.

Von meiner neuen Basis aus habe ich dann die letzten Tage einiges gemacht. Zuerst habe ich mir eine Schlafcouch und ein paar Kleinigkeiten gekauft. Darunter eine Lampe, ein kleines Bügelbrett, Kleiderbügel und einen Notenständer. Dann habe ich von einem Typen hier in Amherst ein Fahrrad für 200 $ und in einem Fahrradladen einen Helm für 70 $ gekauft. Das heißt insgesamt habe ich fast 500 $ rausgehauen und muss jetzt in den nächsten Tagen noch 1400 $ für die erste Monatsmiete und Kaution hinlegen. Hier merkt man dann immer, dass ich in Schwaben aufgewachsen bin, da mir allein beim Gedanken das Herz blutet. Naja die Kaution kriege ich ja wieder und Bett und Fahrrad verkaufe ich dann bevor ich gehe und dann habe ich im Mai nochmal viel Geld um zu verreisen.
Nach dieser Shoppingtour bin ich dann mit meinem neuen Fahrrad los und habe die Gegend erkundet. Ich wohne relativ weit im Norden der Stadt, das heißt alles ist etwas weiter weg aber durchaus noch bewältig bar mit dem Fahrrad, nur die Supermärkte sind eine halbe Stunde von mir entfernt und es geht recht viel bergauf. Mein bisheriger Eindruck von Amherst ist, dass die Stadt sehr ländlich ist. Es gibt außer den drei oder vier Unis hier tatsächlich nichts. Die Natur ist umwerfend schön, mit seichten Hügeln, viel Laubwald und kleinen sehr sauberen Seen. Die Hälfte der Strecke zum Supermarkt ist durch den Wald auf einem Fahrradweg und 5 min von meiner Wohnung ist ein kleiner See in dem ich die letzten Tage immer schwimmen war. Es gibt nicht allzu weit einen kleinen Laden der Gemüse und diverse Produkte aus der Umgebung verkauft und nachts hört man eigentlich nur die Natur. Alles hat diesen idyllischen Charakter.

Eigentlich wollte ich nach den drei Jahren in Freiburg endlich wieder in eine Großstadt und das Leben um mich spüren aber jetzt bin ich in Amherst. Naja so lerne ich nun auch das Land- und Collageleben in den USA kennen, was mir in Philly vermutlich nicht passiert wäre und ich kann mich mehr auf die Kurse konzentrieren die ich belegen werde und danach ziehe ich ja dann nach München und habe wieder Stadtleben. Fürs erste fühle ich mich erstaunlich wohl. Wobei es sich im Moment eher nach Urlaub anfühlt als Studium. Ich radel viel durch die Gegend, gehe schwimmen, kaufe auf Farmers Markets ein und koche. Abend unterhalte ich mich dann mit meiner Mitbewohnerin, schaue etwas Film und lese und gehe ins Bett.

Naja mal sehen wie sich das dann ändert sobald die Orientation anfängt.

Ein kleines Bild aus Amherst

Sonntag, 28. August 2016

Philadelphia

Nach einer unglaublich schönen aber auch etwas anstrengenden Woche geht, meine Zeit in Philadelphia schon wieder zu Ende. Morgen früh nehme ich einen Bus nach New York von dort dann einen nach Spingfield und von dort nach Amherst. Morgen geht also mein Heimaturlaub zu Ende und der Studienteil fängt an.

Die letzten Tage warn vor allem durch Menschen geprägt die ich seit drei Jahren nicht mehr gesehen habe. Wie schon erwähnt sind da einmal Henry und Marie, dann habe ich Mark (meinen ehemaligen Supervisor und Direktor des Programms von ASF in den USA, David (meinem ehemaligen Vermieter), Iris (eine Freundin von mir die ursprünglich aus China kommt und in Philly studiert) und dann auch noch Marian (eine ehemalige Klientin von mir die dieses Jahr 100!!! wird). Zuerst zu dem Treffen mit Mark. Mark ist der Landesdirektor für die USA. Er leitet das Programm hier, ist also zuständig dafür, dass es den Freiwilligen gut geht und die Projekte mit ihnen zufrieden sind, plant und organisiert die Seminare für die Freiwilligen und was sonst noch alles anfällt (was ziemlich viel ist). Der Job ist tatsächlich mit sehr, sehr viel Arbeit verbunden (vermutlich wie alle Jobs in einer NPO) und deswegen ist Mark permanent auf dem Sprung, immer am telefonieren oder Emails schreiben oder muss noch schnell etwas erledigen. Als ich damals Freiwilliger war hat er frisch mit dem Job angefangen und war dementsprechend noch etwas planlos und musste sich organisieren. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass er sehr viel fokussierter und strukturierter ist, wobei Mark leichte Tendenzen zum Chaoten hat. Als wir uns getroffen haben sind wir Kaffee trinken gegangen und haben eine Kleinigkeit gegessen. Mir Mark zu sprechen ist immer eine Freude, er ist ein bisschen wie meine Mutter und sprudelt immer vor sich hin, weiß zu allem eine kleine Anekdote oder geht auf das ein was man gesagt hat, wobei er auch immer sehr aufmerksam zuhört. Sehr angenehm. Wir haben uns über mich und mein Studium, meine Auslandsaufenthalte, die neuen Freiwilligen und das Programm unterhalten. Es war eine wahre Freude und mich hat natürlich brennend interessiert wie sich meine Nachfolger so geschlagen haben.
Anschließend an das Gespräch mit Mark habe ich Judith getroffen. Sie ist die Nachfolgerin meiner Nachfolgerin gewesen und macht gerade ein Praktikum in Philly. Wir haben uns über unsere ehemalige Arbeit und Klienten unterhalten und natürlich über Mark. Judith ist eine sehr nette, offene, aufgeweckte Frau und es war spannend ihre Sichtwiese auf die Klienten und Mark zu hören. Wobei die im Prinzip sehr mit meinen übereinstimmen. Wir haben uns die Woche über einige Male getroffen. Einmal bin ich mit ihr ins Improtheater gegangen und das dritte Mal sind wir gemeinsam zu Marian gegangen.

Das bringt mich zu Marian. Sie war damals als ich in den USA war schon 96 und eine wahnsinnig beeindruckende Frau. Sehr fit für ihr Alter, sehr taff und auch sehr vernetzt. Sie beklagt sich immer, dass sie nirgends alleine hin gehen kann aber gleichzeitig kriegt sie jeden Tag Besuch von jemanden der sie irgendwie kennt oder wird von der Rabbinerin angerufen oder hat eine Haushaltshilfe da, die sich mit ihr unterhält. Was mich am meisten erstaunt hat bei Marian ist, dass sich einfach nichts geändert hat in drei Jahren. Sie sieht genau gleich aus wie damals, die Wohnung auch, das Apartmentgebäude. Es ist als wäre kaum Zeit vergangen. Marian hat mich am Anfang nicht erkannt aber als ich mich vorstellt wusste sie alles wieder. Sie wusste wer ich bin, was ich damals alles gemacht habe und war auch sehr interessiert an dem was ich jetzt mache. Marian ist sehr beeindruckend einfach dadurch, dass sie einfach alles übersteht. Sie ist 100 und zeigt keinerlei Anzeichen von ernsthaften Krankheiten oder ähnlichem. Wie eine menschlicher Monolith überdauert sie einfach alles.

Ein weiterer wesentlicher Teil meiner Zeit in Philly war David. David ist ein Freund von ASF und hat für 15 Jahre die Freiwilligen in meinem Projekt bei sich daheim aufgenommen. Damals hat er noch genau in Center City gewohnt in einem riesigen Stadthaus mit vier Schlafzimmern und drei Badezimmern, einer riesigen Küche und einem Wohnzimmer und Esszimmer. Ich habe vermutlich am luxuriösesten von allen Freiwilligen gewohnt. David selbst ist ungefähr so alt wie meine Eltern und hat früher als Autohändler für BMW gearbeitet und dann später nochmal Kunst studiert. Inzwischen ist er nach West Chester gezogen und lebt dort in einem wunderschönen Haus auf einem riesigen Grundstück mit großartiger Aussicht. Er malt inzwischen den Himmel und ist damit auch ziemlich erfolgreich. Er unterrichtet auch an kleineren Kunstschulen in der Umgebung und ist allgemein sehr aktiv. David ist ein unglaublich aufgeweckter, lustiger und liebenswürdiger Mensch. Er ist ein echtes Original. Ich bin mit ihm, Henry und Marie essen gegangen und wir haben uns in der Stadt umgeschaut und einfach geplaudert.

Nach einer Woche habe ich auch Philly wieder erkundet. Die Stadt ist förmlich am boomen. Die Innenstadt wird immer hübscher, die Parks werden einer nach dem anderen neu gemacht, die Obdachlosen aus der Stadt gedrängt und alte verratzte Gebäude abgerissen und durch neue Luxusapartments ersetzt. Mein letzter Host hat tatsächlich in einem solchen Luxusloft mitten in der Stadt gewohnt. Das angenehme an Philly ist aber, dass obwohl die Stadt boomt sich der Charakter bewahrt. Die Stadt ist weder touristisch noch komplett gentrifiziert wobei letzteres glaube ich in den nächsten Jahren noch kommen wird. Man merkt, dass alles im Aufbruch ist und die Stadt anfängt ihr Potential zu nutzen und zu vermarkten.

So ich muss jetzt los zum Bus. Bis bald dann aus Amherst,

Zeno

Montag, 22. August 2016

Die Stadt der brüderlichen Liebe



Heute und gestern bin ich nach drei langen Jahren wieder in Philly gewesen. Ich habe die für mich wunderbarste Stadt der Erde wieder erkundet. Ich war erstaunt wie gut ich mich einerseits zu recht gefunden habe und wie sich die Stadt vor allem Center City verändert hat. Wie in jeder Stadt sind viele Geschäfte die ich damals schön fand inzwischen pleitegegangen und mindestens genau s viele gibt es aber noch. Was mich sehr positiv überrascht hat ist wie sich das Stadtbild von Center City geändert hat. Direkt vor City Hall wurde der Dilworth Park eröffnet mit einer großen Rasenfläche und einem Springbrunnen der voll ist mit spielenden Kindern ist. Viele alte und verratzte Gebäude die heruntergekommen waren wurden abgerissen und neue schickere hingestellt, Love Park wird umgebaut, genauso die Fläche vor der Bibliothek. Alles Bereiche in denen ich mich viel aufgehalten habe.

Gestern war ich zum ersten Mal wieder richtig in Philly drin und habe Sarah und zwei ihrer Cousinen, die zu dritt gerade eine USA Tour machen, die Stadt etwas gezeigt. Wir sind von City Hall zum Reading Terminal Market, dann nach Old City von dort zur South Street und von da dann zum Rittenhouse Square gelaufen. Ich musste nie auf die Karte schauen und wusste immer sehr genau wo wir wann abbiegen müssen und wie lange was braucht. Ich war ganz überrascht von meinem guten Gedächtnis und Orientierungssinn. Es war ganz wunderbar die Orte wieder zu sehen die das wohl schönste und prägendste Jahr meines Leben gezeichnet haben und ich war mal wieder von der Schönheit Phillys überrascht. Unsere Tozr endete in einem meiner Lieblingsrestaurants in Philly dem Hip City Veg, einem Geschäft in dem es nur vegane Sandwiches gibt die aber genau so reichhaltig und sättigend wie ein Cheese Steak sind. Diese Teile der Stadt haben sich tatsächlich fast gar nicht geändert. Vermutlich weil sie schon damals sehr touristisch oder edelsaniert waren und dementsprechend auch keinen Bedarf an Veränderung hatten.

Heute bin ich dann durch South Philly und dann meinen alten Arbeitsweg abgelaufen. Dort hat man die Veränderungen dann deutlich gemerkt. Viele neue Luxusapartments, viele neue schicke Läden, die Parks werden saniert und die Obdachlosen Stück für Stück aus Center City gedrängt. Natürlich ist das einerseits schön die Stadt, da sich damit zeigt, dass mehr Geld in die Stadt kommt und es Aufschwung gibt aber wie üblich heißt Gentrifizierung auch immer das ein Teil der Seele verloren geht. Aber davon ist Philly noch immer weit entfernt. Man wird noch immer andauernd auf den Straßen angeschnorrt. Man zahlt immer noch sehr faire Preise für sehr gutes Essen und Trinken. Die verschiedenen Viertel unterscheiden sich noch immer stark in ihrem Charakter und was mich am meisten gefreut hat die Stadt ist immer noch sehr chaotisch. Zwei schöne Beispiele. SEPTA (South East Pennsylvania Transportation Authority) der Betreiber des öffentlichen Verkehrsnetzwerkes, hat einige neue Züge für die S-Bahnen gekauft und nach einigen Monaten stellte sich heraus, dass die alle einen Defekt haben. Deswegen fehlen jetzt ein Drittel der Züge und der Fahrplan ändert sich täglich, weil permanenter Mangel besteht. Zweites Beispiel ist Love Park. Dessen Zentrum war eine große Fontäne, die zu verschiedenen Anlässen eingefärbt wurde und unter dem Park war ein Parkhaus. Nun hat sich herausgestellt, dass das wohl alles nicht so ganz dicht war und Wasser aus der Fontäne in das Parkhaus eindringt und jetzt muss der komplette Park neu gemacht werden.

Das macht irgendwie die Seele der Stadt aus. Philly ist entspannt und hat viel Charakter. Die Menschen sind für Amerikaner etwas ruppig und der Innenstadtbereich ist nicht komplett edelsaniert und auch nicht überrannt von Touristen sondern noch sehr von den Menschen die dort Leben geprägt, selbst um die Independence Mall (das Touristische Herz von Philly) herum. Es hat sich aber auch viel getan in den letzten Jahren. Philly wurde als erste amerikanische Stadt zum Weltkulturerbe erklärt, der Papst war zu Besuch und die Democratic National Convention war hier. Dazu kommen viele kleine Sachen. Zum Beispiel, dass Frankfurt zur Partnerstadt wurde oder eben neue Parks im Zentrum entstanden sind. Auch das trägt zu einer angenehmen nicht stagnierenden Atmosphäre bei. Kurzum ich habe mich auf ein neues in Philly verliebt.

So morgen zieh ich in mein nächstes Quartier. Jetzt koche ich noch etwas für meinen Host und dann gehe ich glaube ich bald schlafen.

Bis dann,

Zeno