Ich habe heute einen wunderbaren Tag in Boston mit Sarah
verbracht möchte mich aber mit dem Bericht über Boston selbst noch bis morgen
warten, wenn ich auch Cambridge und Harvard intensiver begutachtet habe und
sich meine Eindrücke etwas gefestigt haben.
Heute Abend waren wir dann aber noch in einer kleinen
Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Der Film hieß „the line“ und es
ging um Armut in den USA. Der Film selbst ist von verschiedenen Non Profit
Organisationen gedreht worden und dient hauptsächlich als Lehrmaterial. So gibt
es auf der DVD auch ein Fragebogen zum diskutieren. Er soll zeigen, dass Armut
nicht nur schwarze und oder Migranten sondern auch viele Weiße, mit Bildung und
Job, die hart arbeiten und einfach Pech haben.
Er bestand aus vier Teilen. Jeder Teil handelte von einer
Person und ihrer Geschichte wie sie in die Armut gelangt ist und was Armut für
sie bedeutet.
Die erste war die eines Vaters, zweier Söhne und einer Tochter,
der seinen Job verlor und einfach keinen neuen fand. Er wohnt in kaputten
Häusern die er nach und nach repariert und ernährt seine Kinder mit dem Essen,
das er für Foodstamps bekommt. Der Mann lebt in einer Suburb. Inzwischen leben
ca. ein Viertel der Bewohner von Suburbs unter der Armutsgrenze. Es ist eine
neue Art von Unterschicht, die nicht in heruntergekommenen Ghettos wohnt sonder
in der Vorstadt und von Paycheck zu Paycheck lebt.
Die zweite Geschichte war die einer schwarzen Frau, die im Ghetto
aufwuchs und dort auch einer ihrer Schwestern verlor. Sie bekam irgendwann
einen Job und war gerade dabei aus der Neighborhood wegzukommen, da stürzte sie
die Treppe runter. Sie hatte knapp fünf Jahre ihres Lebens gebraucht um wieder
auf die Beine zu kommen. Sie wurde von ihrem Mann verlassen und steckte im
Ghetto fest. Ihr Sohn bekam Probleme, da er mit den falschen Leuten verkehrte. An
diesem Punkt beschloss sie mit ihren Kindern, ihren Schwestern und ihrer Mutter
zusammen zu ziehen um gemeinsam in einer besseren Gegend zu leben. Dort haben
ihre Kinder dann ein Scholarship bekommen und konnten auf eine Privatschule.
Sie bekamen eine bessere Bildung aber sie konnten niemals auf eine Klassenfahrt
mit oder konnten das haben, was die anderen Kinder hatten.
Die dritte Geschichte handelte von einem älteren Mann der in
Virginia lebt, in einem Fischerort. Früher sind die Leute einfach gekommen,
fragten nach einem Job und konnten einen Tag auf dem Kutter mitarbeiten und
hatte dann Geld und Essen für ein paar Tage. Nach der Ölkatastrophe sind die
Fisch und Austernbestände praktisch vernichtet. Das Land ist zum Teil vergiftet
und pro Tag schrumpfen die natural resorces. Dadurch gibt es kaum mehr Arbeit
für die Menschen dort. Die Gegend verarmt zusehends und es gibt auch keine
große Hoffnung, da es auch keinerlei Industrie in der Nähe gibt. Durch die
Zerstörung der Umwelt verlieren die Menschen dort nach und nach einfach alles.
Die letzte Geschichte handelte von einem Mann aus Brooklyn,
der nach North Carolina zog um dort sein eigenes Leben auf zu bauen. Er
scheiterte von Anfang an und lebte zwei Jahre im Homeless Shelter. Er ging zwei
Jahre lang jeden Tag auf Jobsuche fand aber nichts, da er keinerlei
Qualifikationen hatte. Er hat sein Leben lang nur auf der Pferderennstrecke gearbeitet,
das aber jeden Tag 365 Tage im Jahr acht bis zehn Stunden. Nun hat er einen Job
in einem Restaurant und baut sich langsam ein Leben auf aber es dauert
schlichtweg.
Ich fand all diese Geschichten sehr eindrücklich. Was sie
alle gemein hatten war, dass sie irgendwann an einem Punkt wahren an dem sie
jeglichen Mut verloren hatten und nur noch den nächsten Tag sahen. Sie hatten
weder Hoffnung noch Vertrauen in sich selbst. Ich finde da trifft das deutsche
Wort es besser als das Englische. Während Poverty nur den Zustand des keines
Geld Habens beschreibt, beschreibt Armut auch das Gefühl der Hoffungslosigkeit,
der ab einem gewissen Punkt einfach eintritt. Und ich glaube, dass hängt auch
ein Stück weit mit der Mentalität zusammen. Hier geht man davon aus, wer
arbeitet schafft alles. Mit viel Selbstvertrauen, Arbeit und Anstrengung kann man
das schaffen. Man befindet sich in einem temporären Zustand nicht in einer
kontinuierlichen Situation. Die Deutschen sind sich bis zu einem gewissen Grad bewusst,
dass unglückliche Zufälle, Unfälle oder was auch immer zu Armut, mit samt der
Geisteshaltung führen können. Ich denke das ist der Grund warum in Deutschland,
Dinge wie eine allgemeine Krankenversicherung kein Diskussionsthema sind.
Die Amerikaner sind eher Optimisten, was aber leider auch
bedeutet, dass sie sich in gewissen Punkten etwas vor machen. Viel lebt hier
von der Illusion, Die Deutschen sind eher Realisten. Sie sehen Dinge
pragmatisch und gehen sie an. Wenn etwas nicht funktioniert, wird es (meistens
zumindest) angegangen. Hier dagegen, schweigt man eher darüber und wartet bis
es einfach zum Ausbruch kommt.
Was mich ebenfalls beeindruckt hat, waren die Menschen mit
denen wir den Film sahen. Es war eine Art Kirchengruppe (ich glaube sieben
Leute, uns beide mit eingerechnet) aber sie alle engagieren sich sozial. Sie
sehen Armut und helfen Menschen in ihren prekären Situationen. Ich glaube es
sind diese Menschen, die unbemerkt von den Medien, ohne allzu viel als
Belohnung zu erwarten, unsere Welt verbessern. Sie arbeiten an Problemen über
die andere nur sprechen, sie begegnen Menschen die Viele nur im Fernsehen oder
auf den Straßen flüchtig sehen. Sie sind es die uns helfen wenn wir am Ende
sind und vor dem absoluten Nichts stehen. Ich habe nie das Gefühl Brot für die
Welt oder Ähnlichen Spenden geben zu wollen, obwohl ich ihre Arbeit ebenfalls für
wichtig halte, aber wenn mir solche Menschen berichten, was sie tun, wenn sie
erzählen wie sie mit simplen Dingen etwas gegen Armut unternehmen, dann habe
ich das Bedürfnis, das zu unterstützen.
Ich denke an einem weiteren Punkt meines Lebens, will ich
etwas dafür unternehmen. Ob ich nun ehrenamtlich mit ihnen arbeiten will, ihnen
einen Teil meines Gehalts spenden will oder was auch immer, weiß ich nicht aber
ich will an so etwas teilhaben. Ich bin der Überzeugung, diese Menschen bzw.
diese Organisationen verändern die Welt.
So ich bin jetzt todmüde und gehe ins Bett. Gute Nacht euch
allen,
Zeno