Samstag, 17. November 2012

Armut



Ich habe heute einen wunderbaren Tag in Boston mit Sarah verbracht möchte mich aber mit dem Bericht über Boston selbst noch bis morgen warten, wenn ich auch Cambridge und Harvard intensiver begutachtet habe und sich meine Eindrücke etwas gefestigt haben.
 
Heute Abend waren wir dann aber noch in einer kleinen Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Der Film hieß „the line“ und es ging um Armut in den USA. Der Film selbst ist von verschiedenen Non Profit Organisationen gedreht worden und dient hauptsächlich als Lehrmaterial. So gibt es auf der DVD auch ein Fragebogen zum diskutieren. Er soll zeigen, dass Armut nicht nur schwarze und oder Migranten sondern auch viele Weiße, mit Bildung und Job, die hart arbeiten und einfach Pech haben.

Er bestand aus vier Teilen. Jeder Teil handelte von einer Person und ihrer Geschichte wie sie in die Armut gelangt ist und was Armut für sie bedeutet.

Die erste war die eines Vaters, zweier Söhne und einer Tochter, der seinen Job verlor und einfach keinen neuen fand. Er wohnt in kaputten Häusern die er nach und nach repariert und ernährt seine Kinder mit dem Essen, das er für Foodstamps bekommt. Der Mann lebt in einer Suburb. Inzwischen leben ca. ein Viertel der Bewohner von Suburbs unter der Armutsgrenze. Es ist eine neue Art von Unterschicht, die nicht in heruntergekommenen Ghettos wohnt sonder in der Vorstadt und von Paycheck zu Paycheck lebt.

Die zweite Geschichte war die einer schwarzen Frau, die im Ghetto aufwuchs und dort auch einer ihrer Schwestern verlor. Sie bekam irgendwann einen Job und war gerade dabei aus der Neighborhood wegzukommen, da stürzte sie die Treppe runter. Sie hatte knapp fünf Jahre ihres Lebens gebraucht um wieder auf die Beine zu kommen. Sie wurde von ihrem Mann verlassen und steckte im Ghetto fest. Ihr Sohn bekam Probleme, da er mit den falschen Leuten verkehrte. An diesem Punkt beschloss sie mit ihren Kindern, ihren Schwestern und ihrer Mutter zusammen zu ziehen um gemeinsam in einer besseren Gegend zu leben. Dort haben ihre Kinder dann ein Scholarship bekommen und konnten auf eine Privatschule. Sie bekamen eine bessere Bildung aber sie konnten niemals auf eine Klassenfahrt mit oder konnten das haben, was die anderen Kinder hatten.

Die dritte Geschichte handelte von einem älteren Mann der in Virginia lebt, in einem Fischerort. Früher sind die Leute einfach gekommen, fragten nach einem Job und konnten einen Tag auf dem Kutter mitarbeiten und hatte dann Geld und Essen für ein paar Tage. Nach der Ölkatastrophe sind die Fisch und Austernbestände praktisch vernichtet. Das Land ist zum Teil vergiftet und pro Tag schrumpfen die natural resorces. Dadurch gibt es kaum mehr Arbeit für die Menschen dort. Die Gegend verarmt zusehends und es gibt auch keine große Hoffnung, da es auch keinerlei Industrie in der Nähe gibt. Durch die Zerstörung der Umwelt verlieren die Menschen dort nach und nach einfach alles.

Die letzte Geschichte handelte von einem Mann aus Brooklyn, der nach North Carolina zog um dort sein eigenes Leben auf zu bauen. Er scheiterte von Anfang an und lebte zwei Jahre im Homeless Shelter. Er ging zwei Jahre lang jeden Tag auf Jobsuche fand aber nichts, da er keinerlei Qualifikationen hatte. Er hat sein Leben lang nur auf der Pferderennstrecke gearbeitet, das aber jeden Tag 365 Tage im Jahr acht bis zehn Stunden. Nun hat er einen Job in einem Restaurant und baut sich langsam ein Leben auf aber es dauert schlichtweg.

Ich fand all diese Geschichten sehr eindrücklich. Was sie alle gemein hatten war, dass sie irgendwann an einem Punkt wahren an dem sie jeglichen Mut verloren hatten und nur noch den nächsten Tag sahen. Sie hatten weder Hoffnung noch Vertrauen in sich selbst. Ich finde da trifft das deutsche Wort es besser als das Englische. Während Poverty nur den Zustand des keines Geld Habens beschreibt, beschreibt Armut auch das Gefühl der Hoffungslosigkeit, der ab einem gewissen Punkt einfach eintritt. Und ich glaube, dass hängt auch ein Stück weit mit der Mentalität zusammen. Hier geht man davon aus, wer arbeitet schafft alles. Mit viel Selbstvertrauen, Arbeit und Anstrengung kann man das schaffen. Man befindet sich in einem temporären Zustand nicht in einer kontinuierlichen Situation. Die Deutschen sind sich bis zu einem gewissen Grad bewusst, dass unglückliche Zufälle, Unfälle oder was auch immer zu Armut, mit samt der Geisteshaltung führen können. Ich denke das ist der Grund warum in Deutschland, Dinge wie eine allgemeine Krankenversicherung kein Diskussionsthema sind. 

Die Amerikaner sind eher Optimisten, was aber leider auch bedeutet, dass sie sich in gewissen Punkten etwas vor machen. Viel lebt hier von der Illusion, Die Deutschen sind eher Realisten. Sie sehen Dinge pragmatisch und gehen sie an. Wenn etwas nicht funktioniert, wird es (meistens zumindest) angegangen. Hier dagegen, schweigt man eher darüber und wartet bis es einfach zum Ausbruch kommt.

Was mich ebenfalls beeindruckt hat, waren die Menschen mit denen wir den Film sahen. Es war eine Art Kirchengruppe (ich glaube sieben Leute, uns beide mit eingerechnet) aber sie alle engagieren sich sozial. Sie sehen Armut und helfen Menschen in ihren prekären Situationen. Ich glaube es sind diese Menschen, die unbemerkt von den Medien, ohne allzu viel als Belohnung zu erwarten, unsere Welt verbessern. Sie arbeiten an Problemen über die andere nur sprechen, sie begegnen Menschen die Viele nur im Fernsehen oder auf den Straßen flüchtig sehen. Sie sind es die uns helfen wenn wir am Ende sind und vor dem absoluten Nichts stehen. Ich habe nie das Gefühl Brot für die Welt oder Ähnlichen Spenden geben zu wollen, obwohl ich ihre Arbeit ebenfalls für wichtig halte, aber wenn mir solche Menschen berichten, was sie tun, wenn sie erzählen wie sie mit simplen Dingen etwas gegen Armut unternehmen, dann habe ich das Bedürfnis, das zu unterstützen.

Ich denke an einem weiteren Punkt meines Lebens, will ich etwas dafür unternehmen. Ob ich nun ehrenamtlich mit ihnen arbeiten will, ihnen einen Teil meines Gehalts spenden will oder was auch immer, weiß ich nicht aber ich will an so etwas teilhaben. Ich bin der Überzeugung, diese Menschen bzw. diese Organisationen verändern die Welt.

So ich bin jetzt todmüde und gehe ins Bett. Gute Nacht euch allen,

Zeno

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