Sonntag, 9. Juni 2013

Gender



Zu Beginn dieses Posts muss ich erst einmal etwas richtig stellen. Den Film gestern fand ich nicht nett sondern traurig. Er handelte von einem frisch verheirateten Ehepaar. Sie ist Lehrerin und er arbeitet in der Immobilienfirma ihres Vaters. Sein bester Freund ist ein Mittdreißiger der sich immer noch benimmt als sei er Anfang zwanzig. Der beste Freund verliert erst seinen Job und dann seine Wohnung und zieht deswegen bei dem Ehepaar ein, was natürlich für einiges an Spannung sorgt. Dazu kommt, dass der Vater der Braut seinen neuen Schwiegersohn hasst und ihm auf der Arbeit das Leben zur Hölle macht, was er aber seiner Frau nicht sagen will, um  die Fassade der perfekten Familie nicht zu stören. Er wird von seinem Schwiegervater immer weiter geärgert und kriegt dabei noch Stress zu Hause, weil seine Frau den besten Freund aus dem Haus haben will. Irgendwann spitzt sich das Ganze zu und sie will, wissen was ihn so belastet, als er es ihr dann sagt, glaubt sie ihm einmal nicht und sagt ihm im Prinzip, dass er sich nicht so anstellen soll. Das gipfelt dann darin, dass er einen Nerven Zusammenbruch bei einem Dinner mit seinem Schwiegervater und seinem besten Freund hat und den dann attackiert, worauf hin er von seiner Frau rausgeschmissen wird. Nachdem er eine Nacht in der Bar geschlafen hat geht er nach Hause entschuldigt sich bei seiner Frau für alles und das ist dann das Happy End. Eigentlich ist er das Opfer der Umstände geworden und wenn die Frau auf seine Probleme etwas mehr eingegangen wäre der sie zumindest ernst genommen hätte, dann wäre es nie so weit gekommen aber anstatt das einzusehen und gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten, muss er sich entschuldigen, weil das so vom Mann erwartet wird.

Über drei Ecken bringt mich das zu meinem eigentlichen Thema. Durch ASF bzw. die ASFler bin ich zum ersten Mal mit dem Thema „Gender“ auseinander gesetzt worden. Gender ist die Theorie, dass beide Geschlechter komplett gleich sind und erst durch die Gesellschaft in unterschiedliche Bahnen gelenkt werden. Durchaus eine interessante Theorie, wenn ich dem als angehender Naturwissenschaftler nicht ganz zu stimmen kann. Ich fand die Idee interessant, sich der Grenzen und Einschränkungen die, die Gesellschaft uns auf Grund unseres Geschlechts auferlegt, bewusst zu werden und an ihnen zu arbeiten oder sie gar abzubauen, sehr gut und Unterstützens wert. Ich habe ganz fleißig Artikel zu dem Thema gelesen, war manchmal etwas irritiert von den Vorschlägen der Gender Forschung, da sie mir auf den ersten Blick als verwirrend und eigensinnig erschienen aber nach einiger Zeit durchaus Sinn ergaben (die meisten). Doch nach und nach ist mir etwas aufgefallen, was mir sehr missfällt. Es ging immer nur um Frauen.

Zu Beginn habe ich mir gedacht: „Naja Frauen erfahren generell mehr Einschränkungen als Männer und dementsprechend mehr Artikel wird es zu Frauen geben als zu Männern.“ Als sich dann aber mit der Zeit zeigte, dass es keine Artikel zu Männern gibt oder zumindest nur so, dass man stärker recherchieren muss, hat mich das doch irritiert. Wenn es um die absolute Gleichbehandlung von Männern und Frauen geht und darum einen Weg ohne Repressionen aufzuwachsen, warum wird dann nur für Frauen gearbeitet oder in einem so viel stärkeren Ausmaß, dass ich erst eine intensivere Recherche betreiben muss um überhaupt was für Männer zu finden?

Denn ich finde, dass auch Männer und vor allem junge Männer in Rollenbilder gepresst werden, die nicht auf alle passen. So war es bei mir in der Schulzeit so, dass es sobald es darum ging Tische zu verschieben, zu aller erst die Jungs aufgefordert wurden sich an die Arbeit zu machen während es Mädchen in der Klasse gab die körperlich viel stärker waren als ich und wenn ich das gesagt habe wurde ich belächelt und mir wurde gesagt, dass ich mich nicht so anstellen solle. Generell gibt es gewisse Dinge über die ich mich nicht beschweren darf, weil ich ein Junge bin. In New Orleans haben die Mädchen so unglaublich heftig geflirtet und ein Mädchen war besonders dreist und hat mich einfach betatscht, als ich auf ihren Flirt nicht einging. Wenn einem Mädchen sowas passiert und sie darauf aufmerksam macht, dann gilt das als sexuelle Belästigung, bei mir wird verschmitzt gelächelt und gesagt „Ach geb‘s zu da stehst du doch drauf“. Besonders gemein finde ich es, dass häufig Mädchen in meiner Präsens über Jungs generell herziehen. Sie hatten einen Exfreund der blöd war und deswegen werden jetzt Sprüche wie „Jungs sind eh alle Arschlöcher“ rausgehauen. Wenn ich sagen würde „Mädchen sind eh alles Schlampen“ würde man mir sagen, dass ich nicht so sexistisch sein soll. Das sind jetzt nur die Beispiele die mir einfallen in denen auf Grund des traditionellen Rollenbilds des Mannes nicht ernst genommen wurde oder nicht sagen darf, was ich denke oder mir ungerechtfertigte Verallgemeinerungen anhören muss.

Ich persönlich würde mich nicht als überaus männlich beschreiben. Ich verhalte mich häufig Erwartungen entsprechend, ich kleide mich wie man von einem Mann erwartet und ich behandle Menschen häufig wie von mir erwartet wird aber in vielerlei Hinsicht bin ich eher feminin. Durch meine Sexualität habe ich einen Freifahrtschein der mir ermöglich ich selber zu sein und mich auszuleben aber viele Männer haben das nicht und ich kann mir gut vorstellen, dass es viele junge Männer gibt die in einer repressiven Umgebung aufwachsen und in eine Rolle eingezwängt werden die ihnen vielleicht gar nicht gefällt. Wenn es in Gender wirklich darum geht, dass beide Geschlechter gleich sind, dann sollte auch daran gearbeitet werden etwas Druck vom männlichen Teil der Bevölkerung zu nehmen und auch daran Frauen bewusst gemacht werden, wie sehr sie Männer eigentlich in gewisse Rollen und auch Situationen drängen, in denen er sich vielleicht nicht wohl fühlt. Nur weil jemand nichts sagt heißt das noch lange nichts, dass da nichts ist.

Ich habe die ganze Busfahrt über überlegt ob ich das schrieben soll aber das hat mir eigentlich nur gezeigt, wie repressiv das eigentlich ist und ich finde, dass wir im 21. Jahrhundert eigentlich schon so weit sein sollten, dass man darüber offen reden kann und dann daran arbeitet.

So jetzt fühle ich mich besser. Gute Nacht,

Zeno

2 Kommentare:

  1. "Frauen verdienen durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer in vergleichbaren Positionen, meldet das Statistische Bundesamt heute in seiner alle vier Jahre veröffentlichten Verdienststrukturerhebung. Der so genannte „Gender Pay Gap“ hat sich damit im Vergleich zu 2006 nur um einen Prozentpunkt verkleinert."
    Wirtschafts Woche 2010

    Frauen in Deutschland haben erst seit 1919 aktives und passives Wahlrecht.
    In der Schweiz konnten Frauen erst ab 1971 Wählen gehen.

    Von der Unterdrückung der Frau in vielen Ländern fern ab von der Westlichen Gesellschaft nicht zu sprechen.

    Ja, man muss sich Gedanken machen in wie fern die Gesellschaft Fraune UND Männern in bestimmte Rollen zwängt, aber muss dazu nicht erstmal eine gleiche Grundbasis geschaffen werden?!

    Achso, und "Männer sind alles Arschlöcher", "Politiker sind alle Korrupt" und "FRAUEN SIND ALLES ZICKEN" etc. sind Plattitüden, die nicht immer zutreffen, die aber von Frauen UND Männern benutzt werden.

    Liebe Grüße Toya




    AntwortenLöschen
  2. Es geht mir nicht darum, dass man weniger fuer Frauen oder fuer die Gleichberechtigung von Frauen tun soll. Das Frauen es schwer haben und sich viele Rechte erkaempft haben udn noch erkaempfen muessen bestreite ich nicht aber ich denke es gibt viele soziale Stigmata fuer Maenner, denen man sich nicht unbeidngt bewusst ist und gegen die (zumindest nach meinem Wissensstand) realtiv wenig getan wird und es muss doch moeglich sein, sowohl an einem als auch am anderen zu arbeiten.
    Und eine gleiche grundbasis wuerde ich aber so verstehen, dass beidem Aufmerksamkeit zugewandt wird.


    AntwortenLöschen