Bevor ich von meinem Tag berichte eine kleine Warnung vorab.
In spätestens ein, zwei Monaten werden die Berichte abflachen. Im Moment ist
die Motivation groß, die Eindrücke neu und die Freude unübertrefflich aber
sobald sich der Alltag einstellt wird alles etwas anders. Irgendwann werden die
Posts sicher kürzer und weniger mit Aufregung geschrieben sein. Ich nehme mir
fest vor auch weiterhin täglich zu posten aber es werden dann vermutlich mehr
Berichte aus dem Alltag sein mit relativ unspektakulären Geschichten.
Nun aber zu dem heutigen Tag. Er begann um 10 als ich ganz
entspannt meinem riesigen Bett entstieg. Ich bin in die absolut gigantische
Küche, habe mir zwei Scheiben halbwegs gutes Brot (das Brot in den Staaten ist
phänomenal schlecht) aufgetaut und mit Bree und Äpfeln gegessen. Dazu gab es
eine leckere Tasse Cafe aux Lait aus der Espressomaschine von David (die Amis
können ebenfalls keinen guten Kaffee kochen). Also ein rundum entspannter
luxuriöser Morgen. Gegen eins kamen dann die Fickenschers. Henry und Marie.
Dazu eine kleine Geschichte. Als meine Mutter Facebook
entdeckte, hat ein Herr Henry Fickenscher sie kontaktiert. In den USA gibt es
einige Fickenschers und der Herr Henry Fickenscher freute sich unheimlich eine
deutsche Namensgenossin zu finden. Nach viel Korrespondenz, wie meine Mutter zu
sagen pflegt, hat sie ihm erzählt, dass ich nach Philadelphia gehe und er
freute sich darüber unglaublich, da er ebenfalls in Philly lebt bzw. in einer
Suburb von Philadelphia. Nun nach dem ich ein bisschen mit ihm geschrieben habe
konnten wir uns endlich einmal treffen
.
Er und seine Frau haben mich von zu Hause abgeholt und wir
sind zusammen essen gegangen, in einem guten Restaurant in der Nähe der City
Hall. Es war sehr lecker und ziemlich teuer aber wieder wurde ich eingeladen.
Henry hat mir bei dieser Gelegenheit auch mein Telefon gegeben. Ich habe jetzt
ein absolutes Edelhandy. Ich habe 4G mobiles Internet, absolut superschnell.
Ich habe unbegrenzte Anrufe und SMS ins amerikanische Netz und 6GB
Datenvolumen. Das Ganze für läppische $10. Das habe ich nur weil Henry einen
Vertrag bei Verizon hat, dieser ist Verhältnismäßig teuer aber man kann für $10
Aufpreis Familymembers hinzufügen, die dann ein Handy mit Vertrag bekommen und
da ich denselben Nachname habe war das alles gar kein Problem. Ich bin ihm so
dankbar, etwas Vergleichbares für mein Handy hätte mich locker $50/$60
gekostet. Ich sehe schon, ich werde total verwöhnt aus diesem Freiwilligenjahr
hervorgehen und mich erst mal an das normale Leben gewöhnen müssen. Danach
haben sie mich zur South Street gebracht. Dort sollte es angeblich gute
Secondhandshops geben. Nun ja. Ich bin auf dem Weg an drei Sexshops
vorbeigekommen aber an keinem Secondhandshop. Tatsächlich waren auch die
normalen Läden zu teuer für mich. So bin ich auf der Suche nach neuen Klamotten
und einem Notenständer durch die Stadt getingelt. Ich war in drei
Klamottenläden. Der erste war ein Discounter mit entsprechend hübscher
Präsentation der Ware, bzw. ohne Präsentation der Ware. Aber ich habe einen Gürtel
für $12 von Tommy Hilfiger bekommen, dieser würde in Deutschland locker das
Sechsfache kosten. Dann bin ich in einen etwas teureren Laden, in der Hoffnung
halbwegs schöne Sachen zu finden, leider ziemlich erfolglos und zum Schluss bin
ich bei Macys gelandet. Das ist so eine Art amerikanisches Breuningerland. Mit
freundlichen Service Personal, 10% Ermäßigung für Touristen (die ich mir
natürlich sofort geholt habe), Modeshows jede Woche und an Weihnachten gibt es
eine Lichtershow, die schon über 50 Jahre alt ist und ein absolutes Highlight
der Weihnachtszeit hier sein soll. Etwas ganz besonderes ist die Orgel. Es ist
die größte Orgel der Welt und sie wird jeden Mittag gespielt. Eigentlich bin
ich zu Macys gegangen um mir die Orgel anzusehen im Endeffekt habe ich zwei
Teile gekauft und dabei zwar viel gespart aber noch mehr ausgegeben. Aber in
nächster Zeit brauche ich keine Klamotten mehr, deswegen ist das okay.
Etwas schwieriger als die Suche nach schönen Klamotten hat
sich die Suche nach einem Notenständer erwiesen. Den ersten Musikladen habe ich
in der South Street, unweit des zweiten Sexshops gefunden. Dieser verkaufte
übel zugerichtete Geigen (mein Herz blutet immer noch) aber keine Notenständer.
Der zweite verkaufte nur LPs, CDs und Blechblasinstrumente und der dritte hatte
zwar einen Notenständer aber das war ein kappriges, unhandliches Teil, das man
nicht mal auf Augenhöhe stellen konnte. Diesen Müll zu kaufen habe ich dann
nicht eingesehen.
Während dieser Suche bin ich einmal komplett durch Central
City gelaufen. Dabei habe ich realisiert, dass ein Fahrrad unheimlich wichtig
ist. Allein Central City ist riesig aber mit den Bezirken drum herum, ist
Philly absolut gigantisch und ich muss schauen, dass ich mich abseits von
Central City bewege, da dieser Bereich doch recht teuer ist.
Als ich dann nach Hause kam, habe ich für David und mich
gekocht. Tunfischpasta. Dabei habe ich John kennen gelernt. Er ist Veganer,
etwas esoterisch angehaucht und ebenfalls Künstler. Er ist sehr freundlich und
er hat Kunst an der Universität studiert.
So aber jetzt gehe ich nochmal in die Küche und genehme mir
einen kleinen Mitternachtssnack.
Viele liebe Grüße und gute Nacht,
Zeno
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