Sonntag, 30. September 2012

Music



Heute konnte ich wunderbar ausschlafen. Es ist lustig. Ich hatte kaum Jetlag aber in den Staaten bin ich um spätestens 10 top fit. Häufig wache ich schon zwischen acht und neun auf. Wobei das eigentlich ganz angenehm ist, dann habe ich mehr vom Tag.
 
Nach dem Aufstehen habe ich mich dann um diverse Kleinigkeiten hier im Haus gekümmert. Um eins halb eins sind dann John und David vom Gassi gehen mit dem Hund zurück gekommen und ich hab mich ein bisschen mit John unterhalten. John arbeitet im Kimmel Center. Das ist DAS Konzerthaus hier in Philly und heute war das Eröffnungskonzert des Chamber Orchestra of Philadelphia, im Perelman Theater (dem kleinen Saal) und John meinte er könnte mich rein schmuggeln. Also gesagt getan.

Zum Kimmel Center wollte ich mit dem Fahrrad fahren, meinem neuen $80 Walmart Fahrrad. Nach drei Metern sprang erst mal die Kette raus. Also runter vom Sattel und die Kette wieder einsetzten und dann zurück zum Haus und die Hände waschen. Dann ging es leicht verspätet los. Aus der Broad Street so circa 500 Meter vor dem Kimmel Center sprang die Kette erneut aus. Also mir war bewusst, dass ich ein billiges Fahrrad ohne Licht (in Central City nicht tragisch, hier brennt eh die ganze Zeit die Straßenbeleuchtung) und ohne Gepäckträger und Korb vorne (was sehr praktisch gewesen wäre) aber ich bin davon ausgegangen, dass wenigstens die Gangschaltung funktioniert. Sehr ärgerlich.

Im Kimmel Center habe ich mich dann nochmal mit John getroffen und er hat mir erklärt wie alles abläuft. Ich komme kurz vor Beginn zu ihm und er schaut ob ich mich irgendwo, wo noch frei ist hin setzten kann. Da bis zum Beginn noch Zeit war bin ich einfach etwas rumgetingelt. Das Kimmel Center ist der Wahnsinn. Es ist gigantisch und wunderschön. Ein sehr moderner Bau. Zwei Konzerthallen. Das Perelman Theater ist ein Zylinder und steht vor der Verizon Hall, einer gigantischen Kugelförmigen Konzerthalle. Das ganze wird überspannt von einem gigantischen Glasdach und die Wände nach außen sind ebenfalls zum größten Teil aus Glas. Es ist einfach atemberaubend. Auf dem Perelman Theater ist noch eine Dachterrasse von der man zwar nicht viel von der Stadt sieht aber dafür das ganze Kimmel Center und den Himmel. Es ist unglaublich.
Das Konzert bestand aus einem wirklich tollen relativ modernen Stück, von Rota glaube ich, einer Haydn Symphonie, einer guten Haydn Symphonie und dem Beethoven Violinkonzert. Ich liebe dieses Violinkonzert und der Solist war wirklich gut, wie das Orchester. Der Solist hatte einen sehr charmanten und trotz der Virtuosität zurückhaltenden Ton, das einzige was mich gestört hat, war, dass er viel Vibrato benutzt hat und so zum Beispiel beim langsamen Satz die Töne gar keine rechte Chance hatten aufzuleuchten. 

Eines ist mir heute wieder aufgefallen. Bis vor zwei, drei Jahren habe ich schnelle Sätze geliebt und vor allem symphonische Musik. Inzwischen entwickle ich eine Vorliebe für langsame Sätze und für Kammermusik. Ich entwickle eine immer größer werdende Abneigung gegen große Menschenmassen, da ich in diesen immer das Gefühl habe unterzugehen. In der Kammermusik ist es das Gegenteil. Jeder einzelne ist ein wesentlicher Teil, man hört jeden Fehler. Aber es ist eine wunderbar familiäre Atmosphäre in den Proben. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich auch eine immer größer werdende Abneigung gegen Massenveranstaltungen entwickle. Es ist einfach nicht mein Ding. 

Zu den langsamen Sätzen wollte ich noch sagen, dass ich sie einfach liebe. Sie sind einerseits gut spielbar (naja meistens) andererseits bergen sie, je nach Stück, eine innere Ruhe und Gelassenheit und strahlen durch diese eine aparte aber allumfangende Schönheit aus. Hilary Hahn meinte einmal in einem Interview auf die Frage, warum sie denn den Kindern (sie hat einmal eine Kinderkonzert reihe gegeben) fast nur langsame Sätze vorgespielt hätte:
„ Es ist ein Fehler Kindern schnelle Sätze vorzuspielen um sie an klassische Musik heran zuführen. Sie werden unruhig und hören auf zu zuhören, bei den langsamen Sätzen werden sie ruhig und Aufmerksam“. Es stimmt und ich finde es auch ein signifikantes Zeichen, dass viele bei den langsamen Sätzen einschlafen. Wenn sie bei den Schnellen einschlafen, dann spricht das für eine langweilige Interpretation, wenn sie bei den langsamen einschlafen, spricht das für eine gute Interpretation. So ist es doch Sinn und Zweck dieser etwas Ruhe und Entspannung in das Konzert zu bringen.

Wie dem auch sei. Nach dem Konzert bin ich dann zu meinem Fahrrad marschiert und habe dann unter dem Sattel ein Tuch entdeckt. Der Walmart Mitarbeiter muss es da hineingesteckt haben. Mit dessen Hilfe habe ich die Kette wieder rein fummeln können ohne mich einzusauen. Jetzt habe ich es so gemacht, dass ich immer im vierten Gang bleibe. Ohne Schalten springt die Kette nicht so leicht raus. Das heißt aber leider, dass ich beim Berg hoch fahren in die Pedale treten muss wie ein Gestörter um vorwärts zu kommen und beim Berg ab fahren komme ich irgendwann mit dem Treten gar nicht mehr hinterher. Tja man merkt halt, dass das liebe Rad nur $80 gekostet hat.

Mal sehen wie es sich morgen bei der Fahrt zur Arbeit schlägt.

Viele liebe Grüße und eine gute Nacht,

Zeno

1 Kommentar:

  1. Wie schön das Violinkonzert von Beethoven, da wäre ich gerne dabei gewesen. Ich freue mich, dass Du Deine Musik so weiterleben kannst und ganz neue Dimensionen entdeckst... weiter so. Sie wird Dich Dein ganzes Leben lang begleiten.

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