Donnerstag, 6. September 2012

Vivace


Es ist erstaunlich wie viel Lebensfreude und Lebensmut einige Leute besitzen, obwohl sie doch sehr harte Schicksale hinter sich haben. Gestern der Autor des Buches „Wie der Soldat das Grammophon reparierte“. In diesem Buch geht es um einen jungen aus Bosnien und dort den Krieg erlebt. Er flieht mit seiner Familie nach Deutschland. Als junger Mann beschließt er in sein Heimatdorf zurück zukehren und zu sehen was von seiner Kindheit noch übrig ist. Das Buch hat stark autobiographische Züge und dadurch, dass der Autor es gelesen hat bekam es richtige Plastizität. Das Angenehme war, dass das Buch trotz der heftigen Thematik einen wunderbaren Charme und Witz hatte genau wie der Autor. Dieser hatte übrigens wunderschöne Hände. Ich kam etwas spät und es waren nur noch Plätze in der ersten Reihe und so hatte ich freien Blick auf diese langen eleganten Finger mit den schönen glatten Nägeln und der wunderbaren Hautfarbe, die einzige mit vergleichbaren Händen ist, finde ich, Xenia.
Heute habe ich eine Frau mit einem Vergleichbaren Schicksal kennen gelernt. Eine Zeitzeugin. Sie kam aus Berlin und ist halb Jüdin. Sie erzählte uns von der NS-Zeit und wie sie, ihre Eltern und vor allem ihr Vater, der Verfolgung entkamen. Er floh nach Shanghai und hat dort im Exil gelebt. Sie hat sich, dank der großen Anstrengungen der Mutter, verstecken können. Sie berichtete mit sehr viel Lebhaftigkeit und einer Vitalität die man angesichts ihres Schicksals nicht erwartet hätte.
Es ist erstaunlich was der Mensch alles verarbeiten kann. Sie war gewillt der Jugend von ihren Erlebnissen zu erzählen und so begreiflich zu machen was ihr zugestoßen ist. Gleichzeitig gab sie zu immer einen Koffer gepackt zu haben falls wieder mal etwas passiert. Und sie hat den Führerschein nur gemacht um schnell mit ihren Kindern fliehen zu können.
Etwas nervig war dann, dass sich unsere Führerin, im Haus der Wannseekonferenz, sehr viel mit ein paar Jungs aus meiner Gruppe über Kriegsdetails unterhalten hat. Ich finde diese ganzen Teilaspekte des Krieges nur ermüdend. Es ist mir gleich wie weit die Soldaten an einem Tag kamen, wie das Prozedere war, wenn ein Kriegsverbrecher erschossen wurde etc. etc.. Was mich aber tierisch nervt ist, dass überall die Juden als die fast alleinigen Leidenden Des Holocaust dargestellt werden. Über die Sinti und Roma und vor allem über die Homosexuellen wird praktisch nichts berichtet. Mich würde zum Beispiel mal interessieren, woran die Nazis Schwule erkannt haben. In einer Zeit in der offene Homosexualität nicht existent war, muss es doch nicht leicht gewesen sein zu finden. Aber darüber wird nie berichtet. Maximal wird in kleinen Nebensätzen gesagt, dass sie ebenfalls vernichtet wurden. Unfair.
Morgen hab ich einen kleinen Pausentag bzw. kein Vormittagsprogramm. Ich habe überlegt nochmal im Wald Bratsche zu üben. Mal wieder richtig lange und intensiv zu duschen und eine Wäsche mit dem Reisewaschmittel zu machen. Mal sehen was ich alles hinbekomme. Vielleicht mach ich noch ein paar Fotos vom Gelände. Mal sehen…

So ich gehe jetzt mal noch ein bisschen zu den anderen und demnächst schlafen.

Gute Nacht,

Zeno

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