Heute habe ich eigentlich nur zwei Sachen gemacht. Einmal
habe ich im Office Kleinigkeiten erledigt und dann bin ich zu einer Klientin gefahren.
Sie ist in einem Altersheim in einer der Suburbs. Auf dem Weg dorthin fahre ich
immer an einer Kirche vorbei die halb abgerissen ist. Sie hat etwas Faszinierendes
und ich will sie schon seit langem Mal fotografieren. Auf dem Rückweg bin ich
dann auch tatsächlich ausgestiegen und habe mich auf die Straße gestellt und Fotos
gemacht.
Ich war nicht unbedingt im Ghetto aber es war an der Grenze und
es war kalt also wollte ich eigentlich schnell Fotos machen und dann ab nach
Hause laufen. Während ich da stand und knipste ist ein junges, schwarzes
Mädchen stehen geblieben und auf die Kirche oder eher deren Überreste
aufmerksam geworden. Sie hat mich gefragt ob ich wüsste was geschehen sei.
Worauf ich ihr sagte, dass ich glaube, dass die Kirche insolvent ging und das
Gebäude jetzt abgerissen wird. Sie meinte darauf, es sähe aus wie in Europa
nach dem 2. Weltkrieg. Sofort danach hat sie mich gefragt, woher ich komme (man
sieht mir hier auf drei Meilen Entfernung an, dass ich aus Europa komme). Ich habe
ihr gesagt, dass ich aus Deutschland komme. Dann war sie ganz aufgeregt. Sie
hat mir erzählt, dass ihre Schwester Deutsch gelernt hat und durch ihr Deutschstudium
auf den 2. Weltkrieg aufmerksam wurde und natürlich war die Frage die ihr auf
der Zunge brannte, wie ich mit der Geschichte umgehe.
Was dann passierte hat mich sehr berührt. Ich habe ihr
gesagt, dass ich glaube, dass ich als dritte Generation keinerlei Schuld
empfinde aber Verantwortung, dafür die Geschichte bewusst zu erhalten und dass
ich aus dem Bewusstsein heraus etwas Gutes tun möchte um etwas derartigem
vorzubeugen. Sie muss mit allem möglichen gerechnet haben aber nicht damit. Die
Antwort (wie die Amerikaner sagen würden) blew her mind. Sie war von allem
überwältigt. Sie fragte mich ob ich an Gott glaube und als ich ihr sagte, dass ich
das nicht tue, meinte sie, dass sie glaubt, dass Gott unsere Wege gekreuzt hat.
Sie wird zu ihrer Schwester nach Hause gehen und ihr total aufgeregt erzählen,
dass sie einen native German getroffen hat. Ich habe ihr unser Office Email
gegeben und unsere Facebook Seite. Zum Abschied haben wir uns umarmt. Sie heißt
Tenisha.
Gute Nacht euch allen,
Zeno
p.s. Bilder von der Kirchenruine sind in der Slideshow zu
finden.
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