Montag, 18. März 2013

Reflections on age



Heute kam ich bei meiner Lieblingsklientin an und eine ältere schwarze Frau hat die Tür aufgemacht. Etwas verwirrt kam ich rein und sofort wurde mir erzählt was los war. Die Tochter meiner Klientin ist besorgt um sie und kann nicht so häufig bei ihr sein, deswegen hat sie eine 24h Hilfe für sie arrangiert. Alle meine Klienten verfallen zu Sehens. Bei ihr weiß ich jetzt auch warum. Sie hat einen Herzschrittmacher und sich entschlossen, die Batterien nicht ersetzten zu lassen, im weit fortgeschrittenen Alter von 94 auch eine sehr verständliche Entscheidung. Der Herzschrittmacher wird jetzt immer schwächer, genau wie sie.

Mein Klient davor klammert sich (das sind seine eigenen Worte9 an sein Leben. Es ist das einzige was er hat. Er kann nicht mehr richtig sehen, seine Beine sind wund und blutig, so dass er nicht mehr laufen kann und er hört immer schlechter. Seine Medikamente machen ihn immer wieder so unglaublich schläfrig, dass er während eines Gespräches einschläft. Vor knapp fünf Monaten aber als ich ihn übernommen habe, da war das alles noch bei weitem nicht so schlimm. Gelegentlich hat ihn seine Krankenschwester dazu gebracht ein bisschen zu laufen aber inzwischen hat er selbst das aufgegeben. Er lebt einfach nur noch vor sich hin.

Heute ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass ich Menschen beim Sterben begleite. Sie werden vielleicht nicht sterben, während ich ihr Freiwilliger bin aber das Damokles Schwert ist da und Tag für Tag rückt es näher und Tag für Tag verlässt ihr Körper sie ein Stückchen mehr.

Ich habe vor einiger Zeit einmal das Buch „Nein. Ich will keinen Seniorenteller“ von Virginia Ironside gelesen. Ein sehr gutes britisches Buch über das Altern. Einmal erklärt sie, dass sie die Abneigung der Jugend gegen das Alter verstehen kann. So gieren die Alten doch nach der Jugend und wollen sie am liebsten verzehren um sie nochmal zu spüren. Nun diese Ausdrucksweise ist natürlich etwas krass aber sie hat recht. Meine Klienten sehnen sich alle nach mir, weniger weil ich eine so spannende Person bin sondern mehr, weil ich jung bin und sie durch mich etwas Frisches, Unbeschwertes und auch Ungebundenes spüren. Für mich gibt es keine körperlichen Begrenzungen (naja wenige) und ich bin frei zu tun und machen was ich will. Sie wollen es nochmal spüren. Sie wollen nicht nochmal jung sein, keiner meiner Klienten hat das je gesagt aber sie wollen meine Jugend spüren.

Mir selbst gibt die Arbeit mit ihnen viel Ruhe. Ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit schmeicheln mir und meine Woche mag im Grunde genommen noch so langweilig gewesen sein, sie empfinden meine Geschichten als spannend. Es zeigt mir selbst wie viel ich eigentlich erlebe und es rückt mein Weltbild etwas gerade. Die Aufregung und Nervosität wird weniger. Es ist faszinierend, wie tief der Einfluss der Arbeit geht ohne, dass man es selbst realisiert.

Nun der eigentliche Grund für meine Reflektionen über diese Themen ist der Tod einer meiner Mitfreiwilligen in den Niederlanden. Auch wenn sie es wahrscheinlich nicht lesen werden, ich wünsche den Angehörigen, Freunden. Mitfreiwilligen und Bekannten mein tiefstes Beileid.

Zeno

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